Spezifische Immuntherapie, Allergenimpfung
Was ist eigentlich eine Allergie?
Unter Allergie versteht man im allgemeinen eine Überempfindlichkeit des Immunsystems auf an sich unschädliche Stoffe aus der Umwelt wie z. B. Pollen, Tierhaare und -schuppen, Insektengifte, Nahrungsmittel und viele andere. Solche Stoffe werden als Allergene bezeichnet. Die Neigung zur Überempfindlichkeit ist angeboren.
Sie kann sich in einer Fülle von Krankheitsbildern wie Bindehautentzündung, Fließschnupfen, Nesselsucht, Bronchialasthma u. a. äußern, die letzten Endes alle auf eine Entzündungsreaktion zurückzuführen sind. Bevor es dazu kommt, müssen äußere Faktoren wie z. B. ein besonders intensiver Kontakt zu bestimmten Allergenen hinzutreten, um das Faß zum Überlaufen zu bringen.
Warum ist eine Behandlung überhaupt notwendig?
Die Symptome eines Heuschnupfens z.B. dürfen nicht als harmlose und eventuell lästige Krankheitserscheinungen heruntergespielt werden. Es besteht nämlich die Gefahr, daß die Entzündung, die jeder allergischen Erkrankung zugrundeliegt, sich auf die tieferen Atemwege, die Bronchien, ausweitet. So kann sich aus dem vermeintlich “banalen” Heuschnupfen ein Asthma bronchiale entwickeln.
Diese Verschlimmerung wird von Medizinern bei immerhin 30% aller Atemwegsallergiker beobachtet, die nicht oder nicht rechtzeitig einer an der Ursache angreifenden Behandlung zugeführt werden.
Welche Formen der Behandlung sind möglich?
Der beste Weg zu vollständiger Beschwerdefreiheit ist die konsequente Meidung der krankheitsauslösenden Allergene. Für die meisten Allergene wie z.B. Pollen, bestimmte Schimmelpilze und manche Tierhaare ist dies jedoch nicht möglich.
Natürlich werden Sie immer versuchen, den krankheitsauslösenden Allergenen aus dem Wege zu gehen. Dies ist auch eine sinnvolle Verhaltensweise, die zu einer Linderung der Beschwerden beitragen kann. Wo die Allergenmeidung nicht konsequent einzuhalten ist, bietet sich als weitere Behandlungsmöglichkeit die spezifische Immuntherapie (früher: Hypo- oder Desensibilisierung) an. Diese Therapie kann Ihre Beschwerden vollständig heilen oder zumindest erheblich lindern.
Was bedeutet “spezifische lmmuntherapie”?
Es handelt sich um eine Behandlungsform, bei der z.B. einem Birkenpollenallergiker natürliche Bestandteile von Birkenpollen verabreicht werden. Diese Behandlung ist spezifisch, weil nur die auslösenden Allergene verabreicht werden. Sie wird von Medizinern als lmmuntherapie bezeichnet, weil sie auf das Immunsystem einwirkt, es sozusagen umstimmt.
Die am häufigsten durchgeführte und von Wissenschaftlern am besten untersuchte Form der spezifischen lmmuntherapie besteht aus der Verabreichung von Injektionen. Dabei wird die Allergenlösung an der Außenseite des Oberarms unter die Haut gespritzt. Den Anfang der Therapie bildet die Grundbehandlung. Dies bedeutet, daß die Injektionen in der Regel einmal pro Woche gegeben werden. Die Allergendosis ist am Anfang gering und wird von Ihrem Arzt behutsam, aber kontinuierlich gesteigert.
An die Grundbehandlung kann sich die Fortsetzungsbehandlung anschließen.
Wenn Ihre individuelle Höchstdosis erreicht ist, kann sich die Fortsetzungsbehandlung anschließen, in denen Ihnen Ihr Arzt die individuelle Höchstdosis im Abstand von mehreren Wochen injiziert. Über die individuelle Vorgehensweise entscheidet Ihr behandelnder Arzt, der die Therapie intensiv mit Ihnen bespricht.
Wissenschaftler haben in intensiver Forschungsarbeit diese Therapie noch entscheidend verbessert. Die natürlichen Bestandteile der Allergenlösung konnten gezielt chemisch verändert werden.
Damit wurde es möglich, die Grundbehandlung, die früher für Sie wöchentliche Injektionen für bis zu vier Monate bedeutet hätte, auf einen Zeitraum von nur sechs Wochen zu verkürzen. Diese moderne Therapie wurde bisher für die wichtigsten Pollen entwickelt. Fragen Sie dazu bitte Ihren Arzt.
Für Kinder oder Allergiker mit sehr ausgeprägter Überempfindlichkeit wurde eine Tropfentherapie entwickelt. Die Tropfen, die die natürlichen Eiweißstoffe enthalten, werden aus einer Flasche unter die Zunge getropft und vor dem Schlucken zwei bis drei Minuten im Mund gehalten. So werden die Wirkstoffe am besten aufgenommen.
Nach Anweisung Ihres Arztes sind die Tropfen in steigender Zahl, bis zu einer individuell unterschiedlichen Höchstmenge, einzunehmen. Diese Höchstmenge wird danach täglich oder mehrmals wöchentlich über einen längeren Zeitraum weiter eingenommen.
Ab wann und wie lange wird die spezifische Immuntherapie durchgeführt?
Etwa ab dem 5. vollendeten Lebensjahr kann die Behandlung aufgenommen werden, wenn entsprechende Symptome wie allergischer Schnupfen, allergische Bindehautentzündung oder ein allergisches Asthma bronchiale vorliegen. Der Arzt hat vor dem Beginn der Behandlung durch eine Reihe von Untersuchungen festgestellt, welche Allergene für die Erkrankung verantwortlich sind. Außerdem hat er abgeklärt, ob Begleiterkrankungen vorliegen, die einer spezifischen Immuntherapie im Wege stehen. Wenn alle Ergebnisse der Untersuchungen für die Einleitung einer Behandlung sprechen, sollte sie ohne Verzögerung begonnen werden. Den genauen Zeitpunkt legt Ihr Arzt fest.
Je früher die spezifische Immuntherapie begonnen wird, um so besser sind die Erfolgschancen.
Die Behandlungszeit beträgt in der Regel etwa 3 Jahre, aber schon im 1. Behandlungsjahr werden Sie eine spürbare Besserung erfahren. Die Dauer hängt u. a. davon ab, wie gut die in steigender Dosierung verabreichte Allergenlösung vertragen wird und wie schnell die Beschwerden abnehmen. Eine rasche Abnahme der Beschwerden sollte Sie aber nicht dazu verleiten, die Therapie vorzeitig abzubrechen, da der langfristige Erfolg entscheidend von der Dauer der Therapie abhängt.
Der Zeitraum von 3-5 Jahren hört sich lange an, aber bedenken Sie bitte, daß die medikamentöse Therapie, z.B. mit Kortison, lebenslang durchgeführt werden muß und nicht frei von Nebenwirkungen ist. Die enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt ist von großer Bedeutung.
Hat die spezifische Immuntherapie auch unerwünschte Wirkungen?
Wie jede andere Behandlung kann auch die spezifische Immuntherapie zu unerwünschten Reaktionen führen. Der allergologisch erfahrene Arzt kennt alle Maßnahmen und verfügt über Mittel zu Behandlung von Nebenwirkungen. Er bespricht mit dem Patienten vor Beginn der Therapie, worauf dieser besonders achten muß.
Leichte Hautreaktionen (Rötungen und Schwellungen) an der Einstichstelle sind verhältnismäßig häufig, jedoch meist harmlos. Starke Schwellungen des Armes müssen in der Praxis nachbeobachtet und eventuell lokal behandelt werden. In solchen Fällen wird meistens eine Dosisverringerung erforderlich sein.
In seltenen Fällen können Allgemeinreaktionen auftreten wie z.B. Juckreiz, Hautausschlag, Husten oder Atemnot, Herzklopfen oder Schwindel. Ein lebensbedrohlicher Kreislaufschock wird noch seltener beobachtet. Dazu kann es kommen, wenn trotz aller Sorgfalt versehentlich geringe Mengen der Allergenlösung in die Blutbahn gelangen. In solchen Fällen wird der Arzt ohne Zeitverlust die notwendige Schockbehandlung durchführen.
Wie können Sie die Therapie sinnvoll unterstützen?
Ihre Mitarbeit ist für die Therapie besonders wichtig. Sie haben den Erfolg selbst in der Hand.
Auf folgende Punkte sollten Sie achten:
- Die Abstände zwischen den einzelnen Injektionen bzw. den Tropfeneinnahmen müssen genau eingehalten werden.
- Nach jeder Injektion müssen Sie mindestens 30 Minuten in der Praxis bleiben, so daß Ihr Arzt schnell und kompetent eingreifen kann. Bemerken Sie während der Wartezeit irgend etwas Ungewöhnliches (z. B. Jucken im Rachen, an der Hand oder der Fußsohle, Niesreiz, Husten, Atemnot, Hautjucken, Hitzegefühl, Schwindel), wenden Sie sich bitte sofort an Ihren Arzt oder dessen Sprechstundenhilfe.
- Wenn nach Verlassen der Praxis ungewöhnliche Symptome auftreten oder die bekannten Beschwerden verstärkt auftreten, sollten Sie ebenfalls sofort mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufnehmen.
- Vor jeder erneuten Injektion informieren Sie bitte Ihren Arzt darüber, wie Sie die letzte Injektion vertragen haben, welche Medikamente Sie zur Zeit einnehmen und ob Sie gegenwärtig erkrankt sind (auch auf die bekannten allergischen Beschwerden hinweisen, falls diese sich erneut eingestellt haben).
- Am Tag der Injektion sollen körperliche Anstrengungen jeder Art (insbesondere sportliche Aktivitäten) sowie außergewöhnliche Belastungen (z.B. auch heißes Duschen) unbedingt vermieden werden.
- Während der gesamten Dauer der Behandlung versuchen Sie bitte, die für Ihre Beschwerden ursächlichen Allergene so gut wie möglich zu meiden.
- Insbesondere können Hausstaubmilbenallergiker die Therapie in idealer Weise durch die Benutzung von milbendichten Matratzen und Bettbezügen unterstützen, denn die meisten Milben befinden sich im Bett. Diese Bezüge führen zu einer drastischen Verminderung der eingeatmeten Allergene. Sie werden über Matratzen, Oberbetten und Kopfkissen gezogen und mit dem Reißverschluß sorgfältig verschlossen. Darüber wird die normale Bettwäsche gezogen. Die Überzüge sind wasserdampfdurchlässig, so daß der über Nacht produzierte Schweiß leicht abtransportiert werden kann.
Das Leben nach der Allergie
Von einer erfolgreichen Behandlung ist immer dann zu sprechen, wenn der Patient am Ende der Therapie keine Beschwerden mehr hat oder die Beschwerden deutlich gelindert wer den konnten. Für den Patienten mit einer Pollenallergie bedeutet dies, daß er Frühling und Sommer ohne Heuschnupfen oder mit höchstens geringen Symptomen genießen kann und der Entstehung eines Asthmas vorgebeugt wurde. Der Hausstaubmilbenallergiker wird insbesondere in den Wintermonaten ohne wesentliche Beeinträchtigungen nachts gut schlafen können. Der Bienen- oder Wespengiftallergiker wird sich ohne Angst vor Stichen im Sommer im Freien aufhalten können. Mit einer Erfolgsquote von 95% zeigt die spezifische Immuntherapie mit Bienen- oder Wespengift die besten Erfolge.
Bei der Behandlung von Pollenallergien liegt die Erfolgsquote zwischen 80 und 90%, bei Milbenallergien zwischen 70 und 80%.
Allgemein gesehen ist die spezifische Immuntherapie in 70 bis 85% aller Fälle als sehr erfolgreich zu bewerten. Natürlich hängt der Behandlungserfolg auch vom Alter der Patienten und der Schwere der Beschwerden zum Zeitpunkt des Therapiebeginns ab. Außerdem spielen die verwendeten Allergene eine Rolle.